Rosmarie Zapfl-Helbling ist Präsidentin von “Alliance F” (Alliance de sociétés féminines suisses)
Die Minarett-Initiative hat vorgegeben, unsere Kultur zu schützen. Die Basis unserer Kultur sind aber vor allem die Religionsfreiheit und der Respekt vor Werten wie Solidarität, Vielfalt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Willkür und Diskriminierung, wie sie die Initiative vermittelt hat, sind zutiefst unschweizerische Werte die wir nicht pflegen wollen und die wir in anderen Ländern verurteilen.
Die Diskussion die um diese Initiative geführt wurde, war gezeichnet von Hass und Unverständnis gegenüber den andersgläubigen. Oft fühle ich mich zurückversetzt in die Zeit vor 50 Jahren, als in Katholischen Landesgegenden die Reformierten Mitbürger diskriminiert und das Gleiche in Städten und Dörfer geschah, die mehrheitlich von Reformierten bewohnt waren.
Die Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ steht in Widerspruch zu zentralen Menschenrechten und gefährdet den Religionsfrieden. Das unerhörte an der Kampagne war für mich die Darstellung auf dem Plakat. Neben Türmen der Minarette wurde eine mit Burka verhüllte Person gezeigt. Also Angst schüren mit dem was mit der Initiative verhindert werden soll. Es grenzt an Irreführung des Stimmvolkes, wenn der Bau von Minaretten mit dem Tragen der Burka in Verbindung gebracht wird. Die Initiative ging nicht gegen die Minarette, sie ging gegen eine ganze Religion. Das ist einer Regierungspartei nicht würdig. Eine beschämende Situation die einmal mehr zeigte, wie viele unserer Mitbürger von einigen Angstmachern manipuliert werden konnten und denen damit zu Wahlerfolgen verhelfen.
Die Annahme der Initiative ist ein Rückschritt. In der Bundesverfassung von 1999 wird bei uns nicht mehr unterschieden zwischen christlichen und anderen Religionen. Die Initiative greift in die Kantons- und Gemeindekompetenzen ein. Für die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche sind die Kantone zuständig. Für Bauordnungen sind es die Gemeinden. Warten wir nun einmal die ersten Klagen und Urteile ab, die vermutlich bis zum Menschrechtsgerichtshof in Strassburg gehen werden. Nach der Annahme des Minarettverbotes ging postwendend die Diskussion um das Burkaverbot los.
Als Frauenrechtlerin und Vertreterin der Menschrechte habe ich mich ganz klar gegen die Burka ausgesprochen. Das Verbot der Burka tangiert nicht die Religion, diskriminiert jedoch die Frauen in ihrer Freiheit. Der Schleier als Kopfbedeckung gibt sicher vielen Musliminnen vorübergehend Sicherheit und Schutz. Wenn die Frauen den Schleier freiwillig tragen, nicht von der Familie oder dem Ehemann dazu gezwungen werden, ist das in Ordnung. Der Gesichtsschleier ist jedoch, im Gegensatz zum Kopftuch, keine vom islamischen Religionsrecht geforderte Pflicht. Die islamischen Rechtsschulen sind sich darin einig, dass Gesicht und Hände, im Unterschied zum Haupthaar, nicht bedeckt werden muss.
Wenn wir auch in Zukunft in Frieden miteinander in der Schweiz, in Europa und weltweit zusammen leben wollen , dann sind wir aufgefordert, zu Verstehen – Die Kultur, die Religion und das Verhalten der Mitmenschen die eine andere Religion ausüben. Diskriminierung der Geschlechter, Gewalt an Frauen und nicht einhalten der Menschrechte sind nicht zu tolerieren.
Dieser Text wurde vom Autor auf der Konferenz “Nach dem Minarettverbot: die offene Gesellschaft und der Islam” vorgelesen. Veranstalter des Symposiums, das am 17. November 2010 an der Züricher Universität stattfand, waren der Universitäre Forschungsschwerpunkt Asien und Europa und die Stiftung Reset – Dialogues on Civilizations.